Von einer Frühgeburt spricht man, wenn ein Kind vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche geboren wird oder bei der Geburt weniger als 2500 Gramm wiegt. Im Normalfall dauert eine Schwangerschaft etwa 40 Wochen (280 Tage nach der letzten Regelblutung). Bei frühgeborenen Kindern dauert sie hingegen weniger als 260 Tage, gerechnet vom ersten Tag der letzten Monatsblutung der Schwangeren. Zu früh geborene Kinder wiegen meist weniger als 2.500 Gramm. Der frühestgeborene überlebende Mensch kam 2006 in der 22. Schwangerschaftswoche zur Welt und wog 280 g bei einer Größe von 24 cm.
Sehr kleine Frühgeborene (VLBW = Very Low Birth Weight) sind Babys, die weniger als 1.500 Gramm wiegen und in den meisten Fällen vor der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen. Als extrem kleine Frühgeborene (ELBW = Extremely Low Birth Weight) bezeichnet man hingegen Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.000 Gramm.
Bei Frühgeborenen unterscheidet man außerdem Babys, die sehr klein oder sehr leicht für ihr Schwangerschaftsalter (Schwangerschaftsdauer) sind. Diese nennt man hypotrophe Frühgeborene oder Small-for-gestational-age-Babies (SGA-Babys). Daneben gibt es Frühgeborene, die extrem groß und sehr schwer für die Schwangerschaftsdauer sind. Sie werden als hypertroph bezeichnet. Man nennt sie auch Large-for-gestational-age-Babies (LGA-Babys).
Seit Anfang der 1990er Jahre stieg mit dem Durchschnittsalter der Schwangeren auch die Anzahl der Frühchen um mehr als 20 Prozent, sodass Frühgeburten heute einen Anteil von etwa 10 Prozent an der Gesamtgeburtenzahl haben. Jedoch haben sich auch die Möglichkeiten, ein Frühgeborenes zu behandeln, in den letzten Jahren um ein Vielfaches gebessert.
Die häufigsten Ursachen für eine Geburt eines Kindes vor dem errechneten Geburtstermin sind Fruchtwasserinfektionen, die beispielsweise durch Geschlechtskrankheiten ausgelöst werden können. Ebenso kann Rauchen vor und in der Schwangerschaft ein Auslöser von Frühgeburten sein. Einige Studien weisen darauf hin, dass eine nicht diagnostizierte oder nicht therapierte Zöliakie ( einheimische Sprue, Gluten-sensitive Enteropathie) ebenfalls für Frühgeburten und weitere Probleme in der Schwangerschaft verantwortlich sein kann und in diesem Zusammenhang eine immer noch unterschätzte Ursache darstellt.
In neueren Untersuchungen konnte außerdem gezeigt werden, dass auch Parodontitis (Zahnfleischentzündungen) eine Ursache von Frühgeburten oder einem niedrigen Geburtsgewicht sein kann. Außerdem kann eine Plazentainsuffizienz ein auslösender Faktor für eine Frühgeburt sein. Diese kann unter anderem durch seelischen Stress hervorgerufen werden und erfordert meist die Durchführung eines Notkaiserschnittes, weil das Kind im Mutterleib unterversorgt ist.
Weitere Risikofaktoren für eine Frühgeburt sind:
In vielen Fällen lässt sich jedoch keine Ursache für die verfrühten Wehen der werdenden Mutter finden. In den westlichen Ländern wird die neonatale Sterblichkeit heute im Wesentlichen durch die Mortalität bei Frühgeborenen bestimmt.
Die Frühchen können aufgrund der Unterentwicklung zum Zeitpunkt ihrer Geburt verschiedene, zum Teil lebensbedrohliche, Erkrankungen entwickeln.
Die unreifen Organe können verschiedene Probleme des Kindes verursachen:
Aufgrund verschiedener medizinischer Fortschritte steigt die Zahl der Kinder, die auch eine erheblich zu frühe Geburt überleben. Doch je unreifer ein Kind geboren wird, desto höher ist sein Risiko, eine bleibende Körperbehinderung oder geistige Beeinträchtigungen zu bekommen.
Auch das Risiko, eine Aufmerksamkeitsdefizit- oder Hyperaktivitätsstörung zu bekommen, ist durch eine Frühgeburt, unabhängig von einer erblichen Veranlagung, erhöht. Studien weisen darauf hin, dass langfristig gesehen Kinder, die bei ihrer Geburt weniger als 1.000 Gramm wogen, häufiger gesundheitliche Beeinträchtigungen entwickeln als andere Kinder.
Auch Lernbehinderungen, wie beispielsweise eine Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Rechenschwäche, kommen bei extremen Frühgeburten sehr viel häufiger vor als unter Reifgeborenen. Von den ehemaligen Frühchen mit einem oder weniger als einem Kilo Geburtsgewicht ist laut US-Statistik jedes Zweite im Alter von acht Jahren lernbehindert.
Auch psychische Störungen, wie zum Beispiel Depressionen und Angststörungen, sowie Verhaltensauffälligkeiten kommen unter extremen Frühgeburten häufiger vor.
Eine Frühgeburt kann sich durch verschiedene Warnsignale ankündigen, wie beispielsweise ein vorzeitiges Platzen der Fruchtblase oder vorzeitige Wehen. Sie kann jedoch auch krankheitsbedingt auftreten, wobei die Auslöser der Erkrankung sowohl im mütterlichen Organismus als auch beim ungeborenen Kind liegen können. Bei einer drohenden Frühgeburt werden im Normalfall zunächst so genannte Wehenhemmer (Tokolytika) und Magnesium gegeben, die die Wehen vorübergehend unterdrücken.
Diese behandeln zwar nicht die Ursache der vorzeitigen Wehen, können jedoch den Zeitraum in dem das Kind im Mutterleib bleibt, verlängern. Diese zeit benötigen die behandelnden Ärzte für Maßnahmen, die zur Unterstützung der Lungenreifung des Kindes vorgenommen werden. Durch Gaben von Glucocorticoiden (Cortison, Betamethason) an die Mutter wird die Bildung des Surfactants in den Lungen des Kindes angeregt.
Bei einer bestehenden Infektionskrankheit der Mutter muss diese gegebenenfalls mit Antibiotika behandelt werden.
In vielen Industrieländern wird die Behandlung von kritischen Frühgeburten vor der 26. Schwangerschaftswoche nur in speziellen Zentren, so genannten Perinatalzentren, durchgeführt. Es konnte wissenschaftlich belegt werden, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Anzahl von Risikogeburten vor der 26. Schwangerschaftswoche in einer Klinik und den Behandlungserfolgen gibt: Je erfahrener die Ärzte und je höher die Zahl der Fälle, desto größer ist die Chance auf ein Überleben des Kindes ohne Spätfolgen.
Frühgeburten vor der 32. Schwangerschaftswoche werden in der Regel per Kaiserschnitt entbunden, weil der Eingriff schonender für das Kind ist und weniger Stress bedeutet.
Frühgeburten vor Beendigung der 22. Schwangerschaftswoche sind hingegen in der Regel nicht lebensfähig. Die behandelnden Ärzte sind dazu angehalten, diese Kinder entsprechend ihrer Würde im Sterben zu betreuen und die Eltern bei der Sterbebegleitung und der Bestattung ihres Kindes zu unterstützen.
Heute gilt, dass mindestens die 23. Schwangerschaftswoche vollendet sein muss, um das Überleben eines frühgeborenen Kindes mit medizinischer Hilfe möglich zu machen. Die Mortalität (Sterblichkeit) und Morbidität (Erkrankungsgrad) des Kindes sind jedoch bei sehr unreifen Frühgeborenen besonders hoch und hängen stark von der Erfahrung des behandelnden Ärzteteams ab.
Die Überlebenswahrscheinlichkeit des Kindes liegt ab der vollendeten 24. Schwangerschaftswoche in Deutschland zur Zeit bei etwa bei 60 Prozent und steigt mit zunehmender Reife. Vor allem die Reife der Lungen ist für das Überleben entscheidend. Sehr kleine Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 500 Gramm haben unabhängig von der Reife eine schlechte Überlebenschance. Sie liegt in Deutschland heute bei etwa 20 bis 30 Prozent.
Letzte Aktualisierung am 26.04.2021.