Bei einer Asphyxie (griechisch: „Pulslosigkeit") handelt es sich um einen schweren Sauerstoffmangel eines Neugeborenen, der vor, während oder nach der Geburt einsetzen kann. Häufig entwickeln die Kinder im Verlauf schwere Atemstörungen und einen Kreislaufzusammenbruch, was zu schwerwiegenden Organschäden führen kann.
Bei etwa ein bis drei Prozent aller Entbindungen kommt es zu einer Sauerstoffmangelversorgung des Kindes während der Geburt. Betroffen sind meistens unreife, in ihrer Entwicklung zurückgebliebene Kinder. Frühgeborene tragen ein 20fach erhöhtes Risiko für eine Asphyxie. Sie ist der häufigste Grund für Erkrankungen und das Versterben Neugeborener. Danach kann es beispielsweise zu geistiger Behinderung mit spastischen Lähmungen kommen (spastische Zerebralparese).
Eine Asphyxie vor der Geburt kann durch eine Minderdurchblutung des Mutterkuchens (Plazenta) hervorgerufen werden, die meist die Folge von Kreislaufproblemen der Mutter ist. Daneben können außerdem Nabelschnurkomplikationen oder Infektionen eine Asphyxie auslösen. Auch eine Zuckerkrankheit oder Nikotinkonsum der Mutter erhöhen die Gefahr für einen Sauerstoffmangel des Kindes.
Einer Asphyxie nach der Geburt liegt in den meisten Fällen die Unreife der Lunge zugrunde (Surfactant-Mangelsyndrom). Vor allem Frühgeborene sind durch die unzureichende Lungenreifung in hohem Maße bedroht. Es kann bei ihnen leicht zu einem Atemnotsyndrom (Respiratory Distress Syndrome, RDS) kommen, was sich in einer Asphyxie äußert. Die kindliche Lunge ist zwar prinzipiell einsatzfähig, aber erst ab der 35. Woche sicher in der Lage, eine körpereigene Substanz (Surfactant) zu bilden, die bei der Entfaltung der Lungenbläschen hilft.
Auch Infekte des Neugeborenem, die vor allem die Lunge betreffen, sowie in das Blut ausgeschwemmte Krankheitserreger (Sepsis), angeborene Herzfehler, primäre Störungen des Atemantriebs, Hirnblutungen oder Geburtsverletzungen können zu einer Asphyxie führen. Zudem kann das Einatmen (Aspiration) von Kindspech (Mekonium) unter der Geburt eine schwere Asphyxie verursachen.
Auf die ungenügende Sauerstoffversorgung reagiert das Neugeborene allgemein mit einer Verminderung oder einem totalen Aussetzen seiner Atmung. Durch den sich somit immer weiter verstärkenden Sauerstoffmangel werden vermehrt bestimmte Stresshormone freigesetzt, die so genannten Katecholamine. Außerdem wird Zucker (Glukose) nur noch anaerob, also ohne das Vorhandensein von Sauerstoff, für den Energiestoffwechsel bereitgestellt. Durch diese anaerobe Umstellung des Organismus fallen vermehrt schädliche, saure Stoffe an, die Gewebe und Organe angreifen und zerstören.
Im Falle einer Asphyxie besteht zum Zeitpunkt der Geburt beim Neugeborenen eine verschlechterte Atmung, was als Atemdepression bezeichnet wird. Das Kind ringt nach Atem und atmet dabei sehr oberflächlich und ohne tiefe Atemzüge.
Die Herzfrequenz fällt dadurch unter hundert Schläge pro Minute ab, die Muskulatur des Kindes ist schlaff. Wenn der Sauerstoffmangel im Blut im Vordergrund steht verfärbt sich die Haut des Kindes blau (blaue Asphyxie), während es im Falle eines vollständigen Kreislaufzusammenbruchs zu einer Weiß-Verfärbung der haut kommt (weiße Asphyxie). Vom untersuchenden Arzt können beim Neugeborenen nur sehr träge Reflexe ausgelöst werden. Im Rahmen einer weiteren Verschlechterung stoppt die Eigenatmung des Neugeborenen vollständig, die Herzfrequenz sinkt unter 80 Schläge pro Minute und es sind keine Reflexe mehr auslösbar. Dieser Zustand wird in der Medizin als terminale Apnoe bezeichnet.
Auch wenn die Sauerstoffversorgung des kindlichen Organismus wieder sichergestellt ist, treten nach einer Asphyxie in vielen Organen Funktionsstörungen auf (Post-Asphyxie-Syndrom). Im Vordergrund dieses Syndroms stehen zunächst die Schädigung der Lunge und des Nervengewebes. Hinzu kommen oft Herzschwäche und eine verminderte oder fehlende Harnproduktion als Ausdruck einer Nierenschädigung.
Im Magen-Darm-Trakt führt die Minderdurchblutung zu Entzündungen und blutenden Geschwüren der Darmwand. Folgen der Gehirnschädigung können unter anderem spastische Lähmungen, Inkontinenz (das Unvermögen, Urin oder Stuhl gewollt zurückzuhalten) und eine geistige Entwicklungsverzögerung sein.
Eine Asphyxie des Neugeborenen muss aufgrund der enormen Gefährdung rasch erkannt und dementsprechend therapiert werden. Ein Entwicklungsrückstand des Kindes kann bereits vor der Entbindung anhand der Ultraschalluntersuchungen festgestellt werden. Daneben spielt auch die Aufzeichnung der Herztöne des Kindes und der Wehentätigkeit bei der Mutter mit Hilfe eines Wehenschreibers (Kardiotokographie, CTG) eine große Rolle.
Die wichtigsten diagnostischen Kriterien für eine postnatale (nachgeburtliche) Asphyxie sind der sogenannte Apgar-Score und der Nabelschnur-pH-Wert. Anhand des Apgar-Scores kann der Zustand des Neugeborenen eingeschätzt werden. Dieser richtet sich nach der Beurteilung des Aussehens (Hautfarbe, Colorit), des Pulsstatus, der Grimassen (Reflexe) beim Absaugen des Kindes, der Aktivität (Muskulatur) und der Respiration (Atmung).
Der Apgar-Score wird eine Minute nach der Geburt, sowie in der fünften und zehnten Minute erhoben. Dabei können je Parameter Punkte von null bis zwei vergeben werden. Ein gesundes Kind erhält etwa acht bis zehn Punkte. Hat ein Kind fünf bis sieben Punkte liegt meist eine gesundheitliche Beeinträchtigung vor, bei null bis vier Punkten besteht für das Neugeborene eine sehr bedrohliche Situation.
Ein niedriger Ein-Minuten-Wert zeigt zumeist Einflüsse auf den kindlichen Organismus, die während der Entbindung aufgetreten sind, während der Fünf-Minuten-Wert eher die Beeinträchtigung durch einen längeren Sauerstoffmangel widerspiegelt.
Neben der Apgar-Beurteilung wird die Untersuchung des Nabelschnurbluts in die Standarddiagnostik mit aufgenommen. Der pH-Wert gibt an, wie sauer oder wie basisch das Blut ist. Ein pH-Wert ab 7,3 ist als normal anzusehen. Hingegen ist ein Wert unter 7,19 bereits kritisch. Unter einem pH-Wert von 6,99 besteht eine schwere Azidose (Übersäuerung), die einen lebensbedrohlichen Zustand beziehungsweise eine schwere Asphyxie widerspiegelt.
Die Diagnostik zeigt einen Unterschied auf zwischen der leichten blauen Asphyxie mit blau gefärbter Haut, und der schweren weißen Asphyxie mit so genanntem fetalen Schocksyndrom.
Wird eine Asphyxie vorgeburtlich festgestellt, so bekommt die Mutter sofort ein Wehen- hemmendes Medikament. Dadurch werden die Wehen unterbrochen und Sauerstoffbedarf des Kindes wird gesenkt. Daran schließt sich zur Beschleunigung der Geburt in der Regel eine Kaiserschnittentbindung an.
Im Falle einer sich abzeichnenden Frühgeburt bei unzureichender Lungenreife des Kindes, bekommen Schwangere vor der 35. Woche Kortison als Spritze oder Tabletten, das beim Kind die Lungenreifung beschleunigen soll. Ergänzend werden die eventuell bestehenden Wehen zusätzlich durch Wehenhemmer gestoppt, um die Geburt solange hinauszuzögern, bis die Lungenreife erreicht ist.
Tritt eine Asphyxie erst nachgeburtlich (postnatal) ein, muss diese, je nach Zustand des Kindes unterschiedlich behandelt werden. Bei einem Apgar-Wert von über drei Punkten kann versucht werden, die Atmung des Kindes durch lokale Reize anzuregen, wie beispielsweise einem In-die-Haut-Kneifen. Bei einer Verlegung der Atemwege, beispielsweise durch Fruchtwasser, sollten diese mit einem Sauggerät gründlich gereinigt werden. Hierbei ist allerdings Vorsicht geboten: Sind die Atemwege frei, so kann dieses Absaugen die Herzfrequenz des Neugeborenen reflektorisch vermindern und den Allgemeinzustand weiter verschlechtern.
Die blaue Asphyxie wird meist schon nach wenigen Maßnahmen, wie dem Freimachen der Atemwege, dem Abtrocknen des Neugeborenen und der Überwachung der Lungen- und Herzfunktion überwunden.
Ist das Neugeborene in einer sehr schlechten Situation, was bei Apgar-Werten unter drei Punkten oder weißlich-blassen Farbe des Kindes der Fall ist, so sollte eine rasche Wiederbelebung (Reanimation) erfolgen. Bei dieser weißen Form der Asphyxie sollte das Kind maschinell beatmet werden. Es wird Sauerstoff verabreicht, und bei einer Herzfrequenz von unter 60 Schlägen pro Minute sollte eine Herzdruckmassage mit 100 Schlägen pro Minute eingeleitet werden.
Eventuell kann auch die Gabe einer Bluttransfusion notwendig werden. Zur Vorbeugung einer Asphyxie sollte im Rahmen der regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft bereits auf mögliche Risikofaktoren und auf eventuelle Hinweise auf eine entstehende Schädigung des Kindes geachtet werden. Die Mutter sollte von sich aus Risikofaktoren wie Alkohol und Tabak vermeiden. Eine Zuckerkrankheit muss zudem medikamentös gut eingestellt sein.
Im Verlauf der letzten Jahre tendieren Gynäkologen immer mehr dazu, Risikoschwangerschaften frühst möglich per Kaiserschnitt zu entbinden, um möglichen Komplikationen bei der Entbindung vorzubeugen. Hierdurch können Asphyxie-Fälle aufgrund einer Schädigung im Rahmen der Entbindung vermieden werden.
Es hat sich in aktuellen Studien gezeigt, dass eine Asphyxie des Neugeborenen bereits nach sechs Minuten zu anhaltenden Schädigungen der Nervenbahnen und des zentralen Nervensystems führen kann.
Etwa 14 Prozent aller Todesfälle bei der Geburt werden durch eine Asphyxie verursacht. Dabei sterben etwa 15 bis 20 Prozent der Kinder, die bei der Geburt unter einer Asphyxie leiden. Von den Kindern, die eine Asphyxie überleben, sind 25 Prozent schwer behindert, durch Langzeitkomplikationen, wie etwa mentale Retardierung, Lernschwierigkeiten oder Epilepsie.
Weiterhin wird zunehmend festgestellt, dass Kinder mit relativ milder Asphyxie, die sich zunächst ohne Komplikationen zu erholen scheinen, Verhaltensprobleme in der Kindheit zeigen, die sich auf diese frühe Schädigung zurückführen lassen.
aktualisiert am 30.03.2021