Als Schulterdystokien werden Fehlhaltungen des ungeborenen Kindes bei der Entbindung bezeichnet, bei denen sich nach der Geburt des Kopfes die kindliche Schulter hinter dem Schambein der Mutter verhakt.
Dabei passen die Einstellung des Schultergürtels und Höhenstand des kindlichen Kopfes nicht zueinander. Die Schulterdystokie ist ein unvorhersehbarer geburtshilflicher Notfall, der ein sofortiges Handeln notwendig macht, da es fast zeitgleich zu einem Sauerstoffmangel des Kindes (Hypoxie) kommt. Die Häufigkeit wird mit 0,2 bis 3 Prozent aller Geburten, in Abhängigkeit vom Geburtsgewicht der Kinder angegeben.
Die Ursache für die Entstehung einer Schulterdystokie besteht meist in einer Übergröße des Kindes (mehr als 4000 g). Oft sind dies Kinder diabetischer Mütter, die meist eine Makrosomie (überproportional große Gliedmaße) aufweisen, da hier die Schulterbreite größer ist als der Kopfumgang. Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass weniger die Makrosomie bei Kindern diabetischer Mütter das Problem ist, als vielmehr ein überproportioniertes Wachstum von insulinsensitivem Gewebe, wozu auch Rumpf- und Schulterbereich gehören.
Auch Kinder übergewichtiger Mütter entwickeln im Rahmen der Geburt gehäuft eine Schulterdystokie. Dabei tragen vor allem Fettdepots im Becken der Mutter oder am Rumpf des Kindes zu einer fehlerhaften Einstellung der Schultern bei.
Ursache kann auch ein forciertes Geburtsmanagement sein, wie beispielsweise ein verfrühtes Mitpressen, massive Anwendung des Kristellerhandgriffs und vaginal-operative Entbindungen (Saugglocke, Zange). Bei all diesen Verfahren hatte der Rumpf oft zu wenig Zeit eine regelrechte Einstellung zu finden.
Im Falle einer Schulterdystokie ist die Beweglichkeit des Kindes bei der Entbindung stark eingeschränkt. Ein weiterer Verlauf der Geburt ist somit erschwert oder gar unmöglich. Dies führt meist zu einem für die Schulterdystokie charakteristischen Geburtsstillstand nach der Geburt des kindlichen Kopfes.
Zudem besteht die Gefahr, dass Nervenbahnen, die im Bereich der kindlichen Schulter verlaufen, beschädigt werden. Nervenschädigungen des Nervengeflechtes zwischen Halswirbelsäule und Oberarm werden als „Armplexusläsion" bezeichnet und können bleibende Einschränkungen der Armbeweglichkeit mit sich ziehen.
Bei der Schulterdystokie unterscheidet man zunächst zwischen einem hohen und einem tiefen Schultergeradstand.
Im Falle einer Schulterdystokie während der Entbindung bleibt bei der Geburt Kopfes bleibt die zu erwartende Drehung aus und der Kopf scheint dem Beckenausgang förmlich aufgepresst. Oft war zuvor die Austreibungsperiode verlängert oder der Durchtritt des Kopfes ist bereits erschwert verlaufen.
Zur Vorbeugung einer Schulterdystokie wird das Vornehmen eines Dammschnittes in Fachkreisen kontrovers diskutiert, da ein Dammschnitt zunächst nur den Scheidenausgang und nicht den Beckeneingang erweitert. Der Verzicht auf einen Dammschnitt ist im Falle eines Rechtsstreits jedoch ein Kunstfehler.
Als weitere Maßnahmen zur Lösung der Schulter aus dem mütterlichen Becken sind bekannt:
Zusätzlich existieren bei der Schulterdystokie invasivere Rettungsmanöver, die heute jedoch kaum noch zum Einsatz kommen.
Dazu zählen:
Bei einer Schulterdystokie ist vor allem das Risiko für Frakturen von Oberarm und Schlüsselbein sowie für Armplexuslähmungen erhöht. Die Sterblichkeitsrate liegt zwischen zwei und 16 Prozent, wobei dafür vor allem Nabelschnurquetschungen, Kompressionen des Thorax sowie traumatische Schädigungen des Gehirns verantwortlich sind.
Letzte Aktualisierung am 23.04.2021.