Neun Monate dauert ein Scheidungsprozess in der Regel. Eine nüchterne Zahl hinter der sich viel Kummer, Tränen, Verletzung und Enttäuschung verbergen. Doch so sehr man auch leidet – man hat sich auch einmal geliebt. Kann es da nicht möglich sein, als Freunde auseinanderzugehen? Was kann man tun, damit eine Trennung nicht in einen nervenzehrenden Rosenkrieg entartet?
Das Trennungsjahr vor der Scheidung ist obligatorisch und soll helfen, die Trennung noch einmal zu überdenken. Tatsächlich kann es hilfreich sein, sich zunächst räumlich zu trennen und weitere Details zu klären, wenn einige Monate verstrichen sind.
Es ist wichtig, die Themen mit Streitpotenzial zu erkennen und sich darauf vorzubereiten. Am häufigsten wird auf dem Scheidungsschlachtfeld um Geld und Besitz gekämpft. Im Falle eines Ehevertrages sind die Rahmenbedingungen gesetzlich geregelt. Aber auch die Dinge des täglichen Bedarfs auseinanderzusortieren, birgt Aggressionspotenzial. Dann hilft es, sich klarzumachen, dass es bei der empfundenen Wut nicht eigentlich um die CDs oder das Geschirr geht, um das gestritten wird, sondern um enttäuschte Erwartungen und persönliche Verletzungen.
Eine Inventurliste schafft Klarheit über das, was da ist und aufgeteilt werden muss. Jeder sollte das bekommen, was er mitgebracht hat. Für Dinge, die gemeinsam angeschafft wurden, gilt der aktuelle Zeitwert. Jeder sollte ankreuzen dürfen, was er gerne haben möchte – sodass beide Partner Gegenstände im ungefähr gleichen Wert bekommen.
Das oberste Prinzip einer freundschaftlichen Trennung lautet: auf Schuldzuweisungen und Vorwürfe verzichten – auch wenn es schwer fällt. Das heißt nicht, sich märtyrerhaft in eine Opferrolle flüchten. Das heißt nur verstehen, dass Wutausbrüche nicht weiterhelfen. Um seine Wut, die immer auch ein Ausdruck von Trauer ist, sollte man sich kümmern. Man kann ein Tagebuch füllen, mit Freunden reden, Briefe schreiben, die man nicht abschickt. Man kann Sport treiben, sich in ein neues Projekt stürzen oder den Garten neu anlegen. Man kann seine verletzten Gefühle auch mit Hilfe eines Therapeuten bearbeiten.
Respektvoll miteinander umgehen, auch wenn man das Verhalten des Partners nicht billigt, das Verbindende (wie z.B. das Wohlergehen der Kinder) im Blick behalten, das Gespräch suchen, nicht den beleidigten Rückzug – all das ist wirklich schwierig und eine hohe Kunst. Ein Mediator kann helfen, festgefahrene Streitpositionen zu schlichten. Hilfe findet man zum Beispiel bei Familientherapeuten oder Eheberatern.
Für minderjährige Kinder bricht bei einer Scheidung oft ihre ganze Welt zusammen. Nichts wird mehr so sein wie vorher. Das Kind muss deswegen vor allem wissen, dass es an der Trennung der Eltern nicht schuld ist! Die Eltern sollten dem Kind behutsam vermitteln, dass es sich um einen gemeinsamen Trennungsentschluss handelt. Nur so können sie vermeiden, dass das Kind in einen unguten Loyalitätskonflikt kommt. Über Dinge wie Wohnort des Kindes und Besuchsregelung sollte eine Übereinkunft bestehen, die dem Kind mitgeteilt wird. Mag man sich als Paar auch noch so uneinig sein, für das Kind bleibt man immer Mutter und Vater. Mit der Elternschaft hat man Verantwortung übernommen. Das bedeutet, dass im Falle eines Kindes der eigene Liebeskummer zweitrangig ist und das Wohlergehen des Kindes an erster Stelle steht.
Liebeskummer und eine faire Trennung sind schwer zu vereinbaren, aber nicht unmöglich. Es ist unwahrscheinlich, dass es gelingt von enttäuschter Liebe direkt in den Freundschaftsmodus zu schalten. Doch jeder, der sich schon einmal getrennt hat, weiß, dass die Zeit tatsächlich einige Wunden heilt und dann ist es auch wieder möglich, gut miteinander auszukommen, vielleicht sogar Freunde zu werden.
aktualisiert am 15.05.2014