Flibanserin ist ein Wirkstoff, der unter dem Namen Addyi für Frauen in US-amerikanischen Apotheken erhältlich ist. Die Lust steigernde Pille für die Frau wird häufig als Pink Viagra bezeichnet. Inwieweit kann man jedoch wirklich von einem Potenzmittel für die Frau sprechen?
Grundsätzlich führt die Bezeichnung Viagra auf einen Irrweg, denn es handelt sich nicht um ein Potenzmittel, wie es Viagra ist. Beim männlichen Potenzmittel genügt eine einmalige Einnahme kurz vor dem sexuellen Akt. Der Wirkstoff Sildenafil weitet die Gefäße und sorgt für eine stärkere Durchblutung dieser. Aufgrund dessen wird der Penis härter und größer.
Pink Viagra bzw. Flibanserin dagegen ist stimmungsaufhellend und wirkt nicht auf körperlicher Ebene. Daher muss es auch dauerhaft eingenommen werden. Flibanserin wirkt auf Serotonin- und Dopaminneurotransmitter. Besonders die Serotininrezeptoren 5-HT1A und 5-HT2A sind betroffen. Serotonin ist ein Botenstoff, der vor allem Ängste herabsetzt sowie Ruhe und Zufriedenheit hervorruft. Frauen empfinden oft eine intensivere Körperwahrnehmung und vertiefte Gefühle bei der Anwendung von Addyi.
Der Begriff „Lustpille“ führt bei Addyi jedoch genauso in die Irre, da keine generelle Regelung des weiblichen Lustempfindens erfolgt. Das Präparat wirkt nicht akut und kann keine normalen Schwankungen ausgleichen. Während Zulassungsstudien sprachen etwa 40 bis 60 Prozent von einer Verbesserung. Allerdings waren die größten Effekte bezüglich des Erlebens einer sexuell befriedigenden Aktivität zu verzeichnen. Daher wird der luststeigernde Effekt als eher gering eingeschätzt und ein Therapieabbruch nach zwölf Wochen empfohlen, sollte sich kein positiver Effekt einstellen.
Aufgrund des anfänglich geringen Nutzen-Risiko-Verhältnisses wurde Flibanserin erst nach der dritten Zulassungsstudie Mitte 2015 in den USA zugelassen. Auf Rezept ist das Medikament Addyi dort in ausgewählten Apotheken erhältlich. Dennoch ist die Liste der Nebenwirkungen lang, unter anderem gehören hierzu:
In Kombination mit anderen Medikamenten oder Alkohol kann die Pille außerdem zum rapiden Abfall des Blutdrucks bis hin zur Ohnmacht führen. Gefährdeten Frauen wird die tägliche Einnahme vor dem Schlafengehen empfohlen.
Weitere Risiken bringt das Absetzen des Präparats mit sich, welches ausschließlich schrittweise erfolgen sollte. Anstelle des angepriesenen Stimmungshochs treten hiernach depressive Stimmungsschwankungen bis hin zu starken Depressionen auf.
Diese Risiken überraschen nicht, wenn man bedenkt, dass der Wirkstoff zunächst vom deutschen Konzern Boehringer Ingelheim als Antidepressiva erforscht wurde. Nach ersten Enttäuschungen in Zulassungsstudien zur Indikation einer sexuellen Luststörung (hypoaktive Sexualfunktionsstörung), verkaufte der Konzern das Patent an einen US-amerikanischen Hersteller.
Hierzulande leidet etwa jede dritte Frau an sexueller Unlust – Belastungen der Partnerschaft sind die Folge. Aus diesem Grund zielt eine Behandlung für gewöhnlich auf ganzheitliche psychotherapeutische Maßnahmen ab. Die Frage steht im Raum, ob Flibanserin in Deutschland eine Alternative gegenüber dem klassischen Therapieansatz darstellt.
Noch ist der Wirkstoff hierzulande nicht zugelassen. Experten sind sich unsicher, da Studien eine Erfolgsquote von maximal 10 Prozent versprechen und das gehäufte Auftreten von Nebenwirkungen dazu in einem fragwürdigen Verhältnis steht. Gleichzeitig trüben sich zudem die einstigen Hoffnungen des Markteinführers von Addyi. So wurde das Medikament in weniger als 300 Fällen gewählt. Der finanzielle Erfolg blieb aus, die konzerneigenen Aktien erlitten immense Verluste.
Ähnliche Enttäuschungen erlebten Frauen, welche bereits in Flibanserin vertrauten. Neben den zahlreichen Nebenwirkungen bringt das Medikament ein grundsätzliches Problem mit – psychische Einflüsse sind zu beobachten, jedoch wird das weibliche Sexualzentrum im Gehirn nicht direkt angeregt. Aus diesem Grund wirkt Pink Viagra häufig nur stimmungshebend. Die sexuelle Lust ist bei Frauen jedoch im Gegensatz zum männlichen Erwarten vielschichtiger. Damit Frauen intensive Empfindungen ausleben können, müssen verschiedene Rahmenbedingungen gegeben sein:
Daher sollte vor einer Anwendung immer abgewogen werden ob eine medikamentöse Behandlung wirklich zielführend ist. So empfehlen auch Experten eine ganzheitliche Sexualtherapie in Anspruch zu nehmen.
Letzte Aktualisierung am 07.12.2015.