Ein ernstes und schmerzhaftes Frauenproblem, das sogar von Gynäkologen zuweilen noch verkannt und selten angesprochen wird, ist der Vaginismus oder Scheidenkrampf. Dabei handelt es sich nur äußerst selten um einen organischen Defekt. Die Beckenbodenmuskulatur verengt sich vielmehr krampfhaft und so stark, das oft sogar schon das Einführen eines Tampons oder eine Untersuchung beim Frauenarzt große Schmerzen bereiten.
Primärer Vaginismus setzt schon während der Pubertät ein. In späteren Jahren, etwa nach Operationen, Infektionen, Geburten oder nach gewaltsamem Geschlechtsverkehr, kann sich die sekundäre Form entwickeln. Das berüchtigte Schmerzgedächtnis tut ein Übriges, es macht den Scheidenkrampf zum Wiederholungstäter, erzeugt Ängste und Verhaltensweisen der Schmerzvermeidung.
Im Prinzip handelt es sich bei einem Scheidenkrampf um eine unbewusste Abwehrreaktion des Körpers gegen ein Eindringen im vaginalen Bereich und den damit möglicherweise verbundenen Schmerz. Und was zum Beispiel im Falle sexueller Gewalt ein gesunde Reaktion ist, wird bei häufigem Auftreten auch in normalen Situationen zu einer dauernden Belastung.
Missbrauch in der Kindheit ist eine mögliche Ursache. Doch nicht nur sexuelle Übergriffe, auch andere Formen von körperlicher oder auch psychischer Gewalt wirken als Auslöser: Dazu zählen etwa Maßnahmen, wie sie bei einer übermäßig restriktiven Erziehung angewendet werden.
Beim beiderseitigen Wunsch nach Geschlechtsverkehr und gar nach Familiengründung wird Vaginismus zu einem noch größeren Paar-Problem: Der Scheidenkrampf lässt sich nämlich nicht bewusst steuern, sondern tritt reflexartig auf, ganz unabhängig von Wünschen, Leidenschaften, gegenseitiger Anziehung und starken Gefühlen. Auch die Verkrampfung selbst ist mit Schmerzen verbunden, verhindert einen normalen Koitus und erzeugt dabei neue Ängste und weitere psychische Konflikte: Ein Teufelskreis setzt ein.
Hilfe ist möglich: Ein verständnisvoller Partner tut bestehenden Vaginismus keinesfalls als „Hysterie“ ab und auch ein guter Gynäkologe nimmt das Phänomen ernst. Um die eingefahrenen Reflexe abzubauen, kann die Frau in entspannter Umgebung üben, kleinere, später größere Gegenstände in die Scheide einzuführen. Mit psychotherapeutischer Unterstützung lassen sich traumatische oder verdrängte Erfahrungen nach und nach verarbeiten. Mittlerweile existieren Selbsthilfegruppen und sogar Selbsthilfe-Trainings im Internet. Das nimmt Betroffenen unter anderem auch das Gefühl der Scham und des Alleinseins mit dem Problem.
aktualisiert am 14.06.2017