Der Diabetes während der Schwangerschaft (Gestationsdiabetes) ist eine Sonderform der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus). Der Diabetes mellitus ist eine Sammelbezeichnung für eine Reihe chronischer Stoffwechselerkrankungen, die durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie) bei erniedrigter Blutzuckerverfügbarkeit gekennzeichnet sind. Ursache dafür ist das Fehlen oder die verminderte Wirksamkeit des körpereigenen Hormons Insulin, das den Einbau von Glukose in die Körperzellen (besonders die Zellen der Leber, der Muskulatur und des Fettgewebes) steuert.
Der Gestationsdiabetes ist eine Unterform dieser Stoffwechselstörung, die im Rahmen einer Schwangerschaft erstmalig auftritt. In Deutschland betrifft er ungefähr 20.000 bis 40.000 schwangere Frauen. Das sind bis zu fünf Prozent aller Schwangeren. Häufig normalisiert sich der Zuckerstoffwechsel nach der Entbindung wieder von selbst. Die Betroffenen haben jedoch nach der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko, einen manifesten Diabetes mellitus zu entwickeln.
Die Ursachen des Gestationsdiabetes liegen einerseits an verschiedenen Schwangerschaftshormonen, wie beispielsweise dem Östrogen, die zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels führen, andererseits an der Ernährung, die in der Schwangerschaft häufig nicht optimal ist. Die Insulinausschüttung des Körpers ist zu Beginn der Schwangerschaft meist vermindert, steigt dann aber im Verlauf der Schwangerschaft erheblich an. Dabei gibt die Bauchspeicheldrüse das Insulin um etwa 15 Minuten verzögert in die Blutbahn ab.
Wie beim Typ-2-Diabetes mellitus sind auch in der Schwangerschaft die Organzellen etwas verändert. Durch die Hormonumstellung steigt der Bedarf an Insulin meist an, so dass die Insulinproduktion des häufig nicht ausreicht. Nicht jede schwangere Frau entwickelt jedoch aufgrund des erhöhten Insulinbedarfs in der Schwangerschaft einen Diabetes. Vielmehr müssen weitere Risikofaktoren vorliegen, die die Entstehung eines Gestationsdiabetes begünstigen. Dazu zählen:
Die Symptome des Gestationsdiabetes sind sehr variabel und hängen meist vom Ausmaß der Überzuckerung (Hyperglykämie) ab. Die Schwangeren haben oftmals im Frühstadium überhaupt keine Beschwerden und die Erkrankung wird erst im Rahmen der routinemäßigen Vorsorgeuntersuchungen erkannt. Klassische Symptome eines Diabetes in der Schwangerschaft sind häufiger Harndrang (Polyurie), häufiges Durstgefühl und große Trinkmengen (Polydipsie).
In vielen Fällen sind die Betroffenen auch sehr ausgetrocknet (dehydriert) und fühlen sich schlapp und kraftlos. Sie leiden unter Heißhungerattacken, vermehrten Infekten, Hautjucken und gelegentlichen Sehstörungen. Zudem kommt es bei den Betroffenen Frauen vermehrt zu so genannten Gestosen und Bluthochdruck. Die Auswirkungen des Diabetes in der Schwangerschaft betreffen vor allem die Geburt und das Kind. Da die Nährstoffe über den Mutterkuchen und die Nabelschnur auf das Kind übergehen, reagiert der Körper des Kindes auf die hohen Blutzuckerwerte mit einer erhöhten Insulinproduktion und baut den Zucker als Fett in den eigenen Körper ein. Das Kind wird somit dicker und größer (Makrosomie).
Gleichzeitig produziert es mehr Urin, wodurch die Fruchtwassermenge zunimmt. All dies sind Risikofaktoren für eine Frühgeburt. Des Weiteren ist die Geburt eines großen Kindes schwieriger als die eines normalgewichtigen. Patientinnen mit einem Gestationsdiabetes haben deswegen häufiger einen Kaiserschnitt oder eine Entbindung durch eine Saugglocke und einen Dammschnitt. Die Durchblutung im Mutterkuchen ist im Falle eines Diabetes in der Schwangerschaft ebenfalls gestört.
Eine ausreichende Sauerstoffversorgung des Kindes kann dann nur durch eine erhöhte Menge an Blutfarbstoff (Polyglobulie) gewährleistet werden. So haben Kinder von Gestationsdiabetikerinnen ein erhöhtes Risiko, mit sehr hohem Blutfarbstoff auf die Welt zu kommen. Hierdurch erhöht sich das Risiko einer Gelbsucht (Ikterus) nach der Geburt, die durch den Abbau des Blutfarbstoffes nach der Geburt entsteht.
Die Diagnose des Gestationsdiabetes beruht auf den typischen klinischen Befunden der Erkrankung sowie der Labordiagnostik. Oft haben die Betroffenen jedoch nur diskrete Symptome und die Diagnose wird zufällig im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen gestellt. Der wichtigste Labortest in der Diagnose des Diabetes ist die Bestimmung des Blutzuckers. Dieser sollte nüchtern gemessen werden und einen Wert von 126mg/dl nicht überschreiten.
Treten in der Blutzuckermessung mehrmals erhöhte Werte auf, sollte ein oraler Glukosetoleranztest durchgeführt werden, der einen besseren Aufschluss über die Verwertung der Kohlenhydrate geben kann. Bei Verdacht auf einen Gestationsdiabetes wird empfohlen, diesen Test in der 24.-48. Schwangerschaftswoche durchzuführen. Treten jedoch schon in der Frühschwangerschaft verdächtige Symptomen auf, kann der orale Glukosetoleranztest jedoch auch schon früher stattfinden. Er sollte vor allem durchgeführt werden, wenn folgende Risikofaktoren vorliegen:
In der weiteren Diagnostik kann zusätzlich eine Urinzuckermessung vorgenommen werden, die mit einem Teststreifen einfach durchführbar ist. Bei Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft an Diabetes mellitus erkrankt sind, sollte dieser routinemäßig etwa drei bis vier Monate erfolgen. Auch die Messung so genannter Ketonkörper im Urin gibt Aufschluss über das Vorliegen einer Stoffwechselerkrankung wie Diabetes mellitus. Ketonkörper werden bei einem vermehrten Abbau von Fettsäuren ausgeschieden und sind vor allem bei ausgeprägter Hyperglykämie und entgleister Stoffwechsellage im Harn nachweisbar.
Erhöhte Blutzuckerwerte können auch im Rahmen einer so genannten passageren Hyperglykämie auftreten. Diese sind meist durch Stresssituationen, wie eine Operation oder einen Unfall bedingt. Solche passageren Hyperglykämien können im durch Verlaufsuntersuchungen leicht vom manifesten Diabetes mellitus abgegrenzt werden.
Das Ziel der Behandlung eines Gestationsdiabetes ist zunächst die Normoglykämie, also ein Blutzuckerspiegel, der in einem gesunden Bereich liegt. Oft können erhöhte Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft mit einer vollwertigen und gesunden Ernährung gut unter Kontrolle gebracht werden. Dabei sollten etwa 40 Prozent der täglich aufgenommenen Kalorien aus Kohlenhydraten bestehen. Zudem sollten die so genannten komplexen Kohlenhydrate den schnell verdaulichen vorgezogen werden, um einen raschen Blutzuckeranstieg zu vermeiden.
Der Fettanteil sollte 35 Prozent nicht überschreiten, hier sollten die mehrfach ungesättigten Fette den gesättigten (aus tierischen Fetten) vorgezogen werden. Der Eiweißanteil der Mahlzeiten sollte etwa 15 Prozent betragen. Bleiben die Blutzuckerwerte jedoch auch bei ausgewogenen Mahlzeiten hoch und entwickeln die Patientinnen während der Schwangerschaft einen Diabetes, sollte man diesen mit Insulin behandeln. So kann eine dauerhafte normoglykämische Stoffwechsellage der werdenden Mutter sichergestellt werden. Orale Antidiabetika sind in der Schwangerschaft nicht erlaubt, da diese zu schweren Entwicklungsstörungen des Kindes führen können. Patientinnen mit einem Gestationsdiabetes sollten zudem in jedem Fall eine Diätberatung erhalten.
Bei der Erkrankung an Gestationsdiabetes sind vor allem die Kinder betroffen. Wenn der Diabetes nicht ausreichen behandelt wird kann daraus eine Fehl- oder Unterentwicklung resultieren, die in der Mehrzahl der Fälle vor allem die Lungen beeinträchtigt. Wird die Erkrankung jedoch rechtzeitig erkannt und behandelt, ist die Prognose von Diabetes in der Schwangerschaft in den meisten Fällen sehr gut. Nach der Geburt sinkt der Insulinbedarf des Körpers in der Regel wieder ab, wodurch auch der Gestationsdiabetes wieder verschwindet.
Nur etwa vier Prozent aller Frauen, die in der Schwangerschaft einen Diabetes entwickeln, leiden auch nach der Geburt des Kindes weiterhin unter der Zuckerkrankheit. Jedoch bleibt auch bei allen anderen Betroffenen das Risiko für eine spätere Erkrankung an Diabetes mellitus leicht erhöht. Besonders Frauen, die unter starkem Übergewicht leiden oder bei denen der Gestationsdiabetes vor der 24. Schwangerschaftswoche festgestellt wurde, haben ein erhöhtes Risiko für die Entstehung einer Zuckerkrankheit.
Letzte Aktualisierung am 29.03.2021.