Als Schwangerschaftserbrechen (Emesis gravidarum, morning sickness) wird Erbrechen und Übelkeit in der Frühschwangerschaft bezeichnet, das insbesondere am Morgen auftritt und zwischen der sechsten und zwölften Schwangerschaftswoche beginnt. Es ist bei Schwangerschaften mit Mehrlingen besonders ausgeprägt und zunächst als völlig normal anzusehen.
Während bis zu zwei Drittel aller Schwangeren an leichten Formen dieser gewöhnlichen morgendlichen Übelkeit leiden, sind hingegen 0,5 bis 1 Prozent von der schweren Form, der so genannten Hyperemesis gravidarum, betroffen. Dabei müssen die Patientinnen oft bis zu zehn Mal täglich erbrechen und verlieren deutlich an Gewicht. Die Übelkeit tritt oft unabhängig von den Mahlzeiten auf und das Erbrechen ist meist nicht zu stoppen. Zudem leiden Patientinnen mit Hyperemesis gravidarum meist unter einen trockener Mundschleimhaut, starkem Durstgefühl und Unterzuckerung.
Die medizinischen Ursachen für diese schwere Form des Schwangerschaftserbrechens lagen bisher weitgehend im Dunkeln. Eine exakte Grenzziehung zwischen beiden Krankheitsbildern ist zudem in vielen Fällen nicht eindeutig möglich.
Es wird vermutet, dass das Schwangerschaftshormon hCG als Ursache für das Schwangerschaftserbrechen eine Rolle spielt. Die Produktion von hCG beginnt etwa 24 Stunden nach der Befruchtung der Eizelle. In den ersten Wochen der Schwangerschaft steigt die hCG-Konzentration im Blut dann immer weiter an und erreicht ihr Maximum etwa zwischen der achten und zwölften Schwangerschaftswoche. Danach sinkt die Konzentration des Hormons wieder ab, da der Mutterkuchen die schwangerschafts- erhaltenden Hormone nun selbst produzieren kann. Als Folge bessert sich in den meisten Fällen eine mit der Schwangerschaft verbundene Übelkeit.
Wissenschaftler der Cornell-Universität in New York haben zudem festgestellt, dass die Übelkeit in der Schwangerschaft auch einen Sinn zu haben scheint. In einer großen Studie wurde der Verlauf von 80.000 Schwangerschaften ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass die Schwangeren vor allem Aversionen gegen Stoffe entwickelten, die der Gesundheit des Ungeborenen schaden. Dabei scheinen vor allem Alkohol, Nikotin und Kaffee einen großen Einfluss auf die Entstehung des Schwangerschaftserbrechens zu haben. Auch Fleisch, Eier, Geflügel und Fisch lehnen viele Schwangere ab. Diese Nahrungsmittel können Bakterien enthalten, die das Immunsystem des ungeborenen Kindes noch nicht ausreichend bekämpfen kann.
Daneben können auch psychische Faktoren in der Entstehung von Schwangerschaftserbrechen eine Rolle spielen. So kann beispielsweise die Angst vor Überforderung durch die neue Situation, beruflicher Stress, Ablehnung des Kindvaters oder des familiären Umfelds, aber auch die Ablehnung des Kindes durch die Mutter das Auftreten von morgendlicher Übelkeit begünstigen.
Für schwere Fälle des Schwangerschaftserbrechens, die Hyperemesis gravidarum, scheint nach neusten Erkenntnissen zudem das Bakterium Helicobacter pylori mitverantwortlich zu sein. Dieser Magenkeim kommt bei etwa 40 Prozent der Bevölkerung im Magen-Darm-Trakt vor und verursacht nicht immer Beschwerden. Zwar leiden Frauen, die mit Helicobacter pylori infiziert sind, häufiger unter Übelkeit und Erbrechen als andere Schwangere, trotzdem scheint der Magenkeim nicht der alleinige Grund der starken Beschwerden zu sein.
In den meisten Fällen stellt sich Schwangerschaftserbrechen und damit verbundene Übelkeit etwa in der zwölften Schwangerschaftswoche von selbst ein. Ist dies nicht der Fall oder muss sich die Schwangere sehr häufig und im Verlauf des ganzen Tages erbrechen, sollte dies von einem Arzt abgeklärt werden. Denn neben der schweren Form des Schwangerschaftserbrechens, der Hyperemesis gravidarum, kann auch eine Magen-Darm-Infektion oder eine Lebensmittelvergiftung verantwortlich für die Beschwerden der Patientin sein. Besonders starke Übelkeit kann zudem auch auf eine Blasenmole hinweisen. In jedem Fall sollten sich Patientinnen, die unter starkem Erbrechen leiden, zunächst in eine Klinik begeben.
In den meisten Fällen von Schwangerschaftserbrechen wird von einer medikamentösen Therapie zunächst abgeraten, da sich die Beschwerden nach der Hormonumstellung meist von selbst wieder bessern. Betroffene Frauen finden es jedoch häufig hilfreich, die Nahrungsaufnahme auf mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag zu verteilen. Zudem sollten die Patientinnen auf koffein- und kohlensäurehaltige Getränke verzichten und darauf achten, eine ausreichende Menge an Vitaminen und Mineralstoffen zu sich zu nehmen. Das Kauen von Haferflocken, Sonnenblumenkernen oder Mandeln kann außerdem dazu beitragen, die Säure im Magen zu binden und den Brechreiz zu lindern.
Zur Therapie des Schwangerschaftserbrechens können zudem alternative Heilmethoden, wie Akupunktur und Akupressur eingesetzt werden. Eine Vielzahl aktueller Studien hat die Wirkung der verschiedenen Methoden zur Stimulierung von Akupunkturpunkten bei morgendlicher Übelkeit und Erbrechen schwangerer Frauen untersucht. Die Auswertung dieser Studien ergab, dass sich durch Akupunktur die Übelkeit um mehr als 50 Prozent, das Erbrechen um etwa 40 Prozent reduzieren ließ.
Des Weiteren hat sich gezeigt, dass Frauen, die schon zu Beginn der Schwangerschaft Sport treiben, weniger unter der Schwangerschaftserbrechen leiden andere. Mediziner vermuten, dass Bewegung die Stoffwechselprozesse im Körper beschleunigt und dadurch die Hormonumstellungen erleichtert. Bei schweren Formen von Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft können auch Medikamente (wie beispielsweise Antihistaminika) zum Einsatz kommen. Meist ist zudem ein Klinikaufenthalt notwendig, um den Verlust an Flüssigkeit und Nährstoffen mit der Gabe von Infusionen auszugleichen.
Konnte das Bakterium Helicobacter pylori als Ursache für eine Hyperemesis gravidarum nachgewiesen werden, hilft eine Behandlung mit Antibiotika. So genannte Makrolidantibiotika werden von Schwangeren meist gut vertragen und wirken in der Regel schnell und dauerhaft. Nach dreiwöchiger Therapie kann das Bakterium Helicobacter in der Regel "eradiziert", das heißt, für immer unschädlich gemacht werden.
Letzte Aktualisierung am 27.04.2021.