Sowohl Blasen als auch Nierenbeckenentzündungen zählen zu den Infektionserkrankungen der ableitenden Harnwege. Harnwegsinfekte sind nach der Blutarmut (Anämie) die zweithäufigste Erkrankungsform in der Schwangerschaft. Etwa fünf Prozent aller schwangeren Frauen leiden im Verlauf der Schwangerschaft unter Infekten im Bereich der ableitenden Harnwege. Bei der Blasenentzündung (Zystitis) hat sich die Schleimhaut im Bereich der Blase und der Harnröhre akut entzündet. Die Harnröhre, oder auch Urethra, ist der Ausscheidungsweg, auf dem der Urin von der Blase nach außen gelangt.
Harnwegsinfekte treten vor allem in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft auf und können sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen erstrecken. Nicht selten hält die Entzündung im Bereich der Harnwege bis zur Geburt des Kindes an. In ein bis drei Prozent aller Schwangerschaften entwickelt sich aus einer zunächst einfachen Harnwegsentzündung eine Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis gravidarum, Schwangerschaftspyelonephritis). Diese meist eitrige Entzündung des Nierenbeckens und des nachfolgenden Nierengewebes ruft bei den Betroffenen meist starke Beschwerden hervor und muss möglichst rasch behandelt werden.
Frauen sind in der Schwangerschaft meist anfälliger für Infekte im Bereich der ableitenden Harnwege. Dies liegt zum einen an der sehr entspannten glatten Muskulatur, sowie an dem vermehrten Einfluss des Hormons Progesteron. Der erhöhte Progesteronspiegel führt zu einer verminderten Peristaltik von Darm und Harnleiter. Dadurch wird der Urin nicht mehr so schnell weiter befördert. Zudem verändert sich in der Schwangerschaft die Schleimhautflora innerhalb der Scheide, wodurch Erreger leichter Eindringen und die Harnröhre besiedeln können. Durch die in der Schwangerschaft vergrößerte Gebärmutter kommt es außerdem zu einem stärkeren Druck auf die ableitenden Harnwege. Daneben verschiebt sich während der Schwangerschaft der pH-Wert und es kommt zu einem Anstieg von Aminosäuren, Kreatinin, Glukose und Laktose. Diese Faktoren begünstigen die rasche Vermehrung von Bakterien im Bereich der Harnwege. Bei Frauen, bei denen eine symptomlose Ausscheidung von Erregern mit dem Harn (Bakteriurie) vorliegt, kommt es in der zweiten Schwangerschaftshälfte zu einer Vermehrung der Bakterien.
Die meisten Infekte im Bereich der ableitenden Harnwege werden durch Bakterien aus dem Dickdarm (Anaerobier), wie beispielsweise Escherichia Coli, hervorgerufen. Seltener sind jedoch auch Viren oder Pilze für die Entstehung einer Blasenentzündung verantwortlich. Wird eine Harnwegsinfektion nicht rechtzeitig behandelt, können die Erreger weiter aufsteigen und eine Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) verursachen. Die Schwangerschaftspyelonephritis (Pyelonephritis gravidarum) ist eine häufige Komplikation von zunächst einfachen Harnwegsinfekten. Sie entsteht durch ein Aufsteigen der Bakterien aus der Blase bis nach oben ins Nierenbecken. In der Schwangerschaft wird die Entstehung einer Nierenbeckenentzündung durch die hormonell bedingte Erweiterung der Harnleiter, die die Verbindung von der Blase zur Niere darstellen, begünstigt.
Die von Harnwegsinfekten Betroffenen schwangeren Frauen leiden in der Regel unter verstärktem Harndrang. Meist wird dieser zunächst auf das wachsende Kind zurückgeführt. Zudem entwickelt sich meist ein Brennen oder Stechen beim Wasserlassen, eine Ausscheidung von nur geringen Urinmengen, Schmerzen im Unterbauch und ein allgemeines Krankheitsgefühl. Das Ausmaß der Symptome ist von Frau zu Frau sehr variabel. Etwa zehn Prozent aller Frauen, die eine Blasenentzündung entwickeln, haben primär überhaupt keine Beschwerden.
Unbehandelt können Harnwegsinfekte jedoch zu einer Reihe von Komplikationen im Rahmen der Schwangerschaft führen, wie beispielsweise
Wird eine einfache Harnwegsinfektion nicht rechtzeitig und ausreichend behandelt kann sich zudem eine Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) entwickeln, bei der die Schwangere häufig unter Fieber, Übelkeit und starken Rückenschmerzen, Flankenschmerzen und Schmerzen in der Nierengegend leidet. Etwa die Hälfte aller Nierenbeckenentzündungen in der Schwangerschaft verlaufen jedoch unerkannt und bereiten der werdenden Mutter kaum Beschwerden. Dennoch kann eine Pyelonephritis im Rahmen der Schwangerschaft unter Umständen sehr bedrohlich werden und zu vorzeitigen Wehen und Frühgeburt führen. Gefürchtet ist im Falle einer Pyelonephritis auch ein Übertreten der Bakterien in die Blutbahn, was eine lebensbedrohliche Blutvergiftung (Urosepsis) auslosen kann.
Um Harnwegsinfektionen in der Schwangerschaft frühzeitig zu erkennen, sollte bei jeder Vorsorgeuntersuchung in der Schwangerschaft eine Urinkontrolle erfolgen. Sind mehr als 100000 Bakterien pro Milliliter Harn nachweisbar, sollte bei Schwangeren Frauen bereits an eine Therapie gedacht werden, während dieser Befund außerhalb der Schwangerschaft als eher harmlos anzusehen ist. Zudem sollten bei Verdacht auf Infektionen im Bereich der Harnwege in jedem Fall Abstriche aus der Harnröhre entnommen werden. Diese Abstriche werden angefärbt und unter dem Mikroskop untersucht, um den Erreger der Harnröhrenentzündung zu identifizieren.
Zudem wird eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt, um eine Nierenstauung als Zeichen einer Nierenbeckenentzündung auszuschließen. Mit dem Ultraschall kann der Arzt zudem feststellen, ob bereits Eiterherde im Nierenbecken vorhanden sind. Daneben kann aus dem Abstrichmaterial auch eine Blutkultur angelegt werden. Diese liefern jedoch erst nach einigen Tagen sichere Ergebnisse.
Auch im Rahmen einer Schwangerschaft sollte vor allem im Falle von immer wiederkehrenden Harnwegsentzündungen ausgeschlossen werden, dass eine Gonorrhoe oder gar ein bösartiger Tumor der Harnröhre (Urethrakarzinom) vorliegen. Zudem können auch Fehlbildungen der Harnröhre oder der Harnklappen, sowie Nierensteine die Ursache für die Entstehung von Harnwegsinfektionen darstellen.
Harnwegsinfekte im Rahmen einer Schwangerschaft sollten möglichst frühzeitig therapiert werden, um die Gefahr einer Nierenbeckenentzündung frühzeitig abzufangen. Dazu werden der Schwangeren meist über mindestens fünf Tage Antibiotika, wie beispielsweise Cephalosporine, verabreicht. Auch Sulfonamide können bis zum Ende des zweiten Schwangerschaftsdrittels gegeben werden. Die Anwendung dieser Antibiotika ist für das ungeborene Kind unbedenklich.
Bei manifester Blasenentzündung mit starken Schmerzen beim Wasserlassen und ständigem Harndrang wird die Dauer der Antibiotikaeinnahme meist über einen Zeitraum von zwei Wochen ausgeweitet. Wird der Harnabfluss durch den Druck der Gebärmutter auf den Harnleiter gestört, können zusätzlich krampflösende Medikamente gegeben werden. Entwickelt sich aus einer zunächst unkomplizierten Harnwegsinfektion eine Nierenbeckenentzündung, wird die Schwangere in der Regel in eine Klinik eingewiesen, um einer Frühgeburt und dem Einsetzen vorzeitiger Wehen vorzubeugen. Im Rahmen eines stationären Aufenthaltes werden der Schwangeren dann hoch dosiert Antibiotika, meist Ampizillin oder Cephalosporine, sowie viel Flüssigkeit intravenös verabreicht. Wenn sich das Fieber daraufhin gesenkt hat, kann nach etwa drei Tagen auf ein Antibiotikum in Tablettenform umgestellt werden. Die Therapie wird jedoch, je nach Zustand der Patientin, über zwei bis drei Wochen weiter fortgesetzt.
Auch nach erfolgreicher Therapie einer Harnwegsinfektion werden im weiteren Verlauf der Schwangerschaft weiterhin Urinkontrollen durchgeführt, um einen eventuellen Rückfall frühzeitig zu erkennen. Bei einem erneuten Ansteigen der Bakterien im Harn, muss abermals mit einer Antibiotikatherapie begonnen werden. Um Harnwegsinfekten in der Schwangerschaft vorzubeugen, sollten vor allem Frauen mit einer Veranlagung zu Blasenproblemen darauf achten, viel zu trinken, wobei vor allem Blasen- und Nieren-Tees sowie stillen Mineralwasser empfohlen werden. Saure oder reizende Getränke wie Kaffee, Alkohol oder Fruchtsäfte sollten möglichst vermieden werden. Auch zu enge Kleidung kann die Entstehung einer Infektion begünstigen. Die Unterwäsche sollte daher generell aus Naturfasern bestehen, damit die Haut atmen kann.
Die meisten Harnwegsinfektionen werden durch Bakterien aus dem Dickdarm hervorgerufen. Deshalb ist es nach jedem Toilettengang besonders wichtig, mit dem Papier vorsichtig von vorn nach hinten zu wischen oder besser sogar noch nur zu tupfen. Sie vermeiden so, dass Darmbakterien in die Scheide oder in die Harnröhre gelangen können. Die Verwendung von Intimsprays, Scheidenspülungen oder parfümierten Cremes sollte vor allem in der Schwangerschaft möglichst vermieden werden, da sie die natürliche Schleimhautflora verändern und das Wachstum von Bakterien so zusätzlich begünstigen. Für die tägliche Reinigung des Intimbereichs sollte möglichst nur klares Wasser verwendet werden.
Frauen, die schon vor der Schwangerschaft wiederholt unter Harnwegsinfekten zu leiden hatten, können sich zudem in der Schwangerschaft vorbeugend Nitrofurantoin verschreiben lassen, um Komplikationen zu vermeiden.
Um eine Infektion von Neugeborenen unter der Geburt auszuschließen, kann direkt nach der Geburt die so genannte Crede´ Prophylaxe durchgeführt werden. Dabei wird dem Neugeborenen Augentropfen in den Bindehautsack gegeben, die eventuelle Erreger abtöten können.
Harnwegsinfektionen kommen im Verlauf einer Schwangerschaft sehr häufig vor und betreffen etwa fünf Prozent aller schwangeren Frauen. Bei einer effektiven und rechtzeitigen Behandlung von Harnwegsentzündungen in der Schwangerschaft ist die Prognose jedoch sehr gut und die Erkrankung heilt folgenlos wieder aus.
Da die Beschwerden bei der Zystitis oft jedoch nur sehr gering ausgeprägt sind oder von der Schwangeren falsch interpretiert werden, wird sie in vielen Fällen zu spät erkannt. Dies kann zu aufsteigenden Infektionen bis ins Nierenbecken und damit verbundenen Komplikationen im Rahmen der Schwangerschaft führen. Eine Nierenbeckenentzündung entwickelt sich in etwa ein bis drei Prozent aller Schwangerschaften aus einer zunächst einfachen Entzündung der Harnwege. Sie stellt eine Bedrohung für Mutter und Kind dar und kann zudem auch nach der Schwangerschaft zu Rückfällen führen und sich zu einer chronischen Pyelonephritis entwickeln.
Letzte Aktualisierung am 29.03.2021.