Als Mehrlingsschwangerschaften gelten Schwangerschaften, bei denen zwei oder mehr Kinder in der Gebärmutter einer Schwangeren ausgetragen werden. Somit werden sowohl Schwangerschaften mit Zwillingen, als auch mit mehr Kindern, wie Drillingen, Vierlingen und so weiter, als Mehrlingsschwangerschaften bezeichnet. Im Normalfall sind Mehrlingsschwangerschaften sehr selten. Nach der so genannten Hellin-Regel ist eine von 85 Schwangerschaften eine Zwillingsschwangerschaft, eine unter 7.000 eine Drillingsschwangerschaft und eine von 600.000 Schwangerschaften eine Vierlingsschwangerschaft.
In den vergangenen 16 Jahren hat jedoch die Häufigkeit von Schwangerschaften mit Mehrlingen eine enorme Steigerung erfahren. Dies liegt vor allem an der Zunahme von Hormonbehandlungen und künstlichen Befruchtungen. Etwa 84 Prozent aller Schwangerschaften mit Mehrlingen kommen nach einer Behandlung zur künstlichen Befruchtung oder nach der Einnahme von Hormonpräparaten zustande.
Laut Angaben des Statistischen Bundesamts gab es im Jahr 2007 10.538 Zwillingsgeburten und 223 Drillingsgeburten. Bei Frauen, die älter als 35 Jahre alt sind und bereits Mehrlinge geboren haben, ist die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Mehrlingsschwangerschaft erhöht.
Mehrlingsschwangerschaften gelten als Risikoschwangerschaften und stellen hinsichtlich der Schwangerschaftsbetreuung, der Geburtshilfe sowie der nachgeburtlichen Versorgung hohe Anforderungen an das medizinische Fachpersonal. Sie werden meist bei der ersten Ultraschall-Untersuchung der Schwangeren zwischen der neunten und zwölften Schwangerschaftswoche festgestellt. In diesem Stadium der Schwangerschaft sind die Embryonen noch klein genug, um gleichzeitig im Ultraschallbild dargestellt zu werden.
Mehrlinge sind zwei oder mehr Kinder, die sich gleichzeitig innerhalb einer Gebärmutter entwickeln und kurz nacheinander zur Welt kommen. Lediglich 30 Prozent aller Zwillingspaare sind eineiig. Das bedeutet, dass die Kinder genetisch identisch sind und somit das gleiche Geschlecht sowie die gleiche Blutgruppe haben und sich auch äußerlich sehr ähnlich sehen. Während eineiige Zwillinge durch einen Zufall bei der Zellteilung entstehen, ist das Auftreten von zweieiigen Zwillingen oft erblich bedingt.
Eineiige Zwillinge können entstehen, wenn sich eine Eizelle nach der Befruchtung in zwei Zellkerne mit identischen Erbanlagen teilt. Erfolgt die Teilung innerhalb der ersten drei Tage, nisten sich zwei Keimblasen in der Gebärmutterschleimhaut ein. Die beiden Embryonen entwickeln sich nebeneinander, wobei jedes sich in seiner eigenen Fruchtblase befindet und über einen eigenen Mutterkuchen (Plazenta) mit der Mutter verbunden ist. Findet die Teilung der Eizelle hingegen erst nach dem vierten Tag statt, haben die Kinder zwar getrennte Fruchtblasen, werden jedoch beide über dieselbe Plazenta von der Mutter versorgt.
Eine Teilung nach dem achten Entwicklungstag hat zur Folge, dass sich beide Embryonen in derselben Fruchtblase entwickeln. Auch sie werden nur über eine einzige Plazenta von der Mutter versorgt. Wenn die Teilung erst nach dem 12. bis 14. Entwicklungstag erfolgt, entsteht eine besondere Form der eineiigen Zwillinge: die siamesischen Zwillinge. Hierbei handelt es sich um eine Fehlentwicklung, bei der die beiden Körper der ungeborenen Kinder in der Schwangerschaft und nach der Geburt miteinander verbunden bleiben. Eine Schwangerschaft mit siamesischen Zwillen tritt bei etwa einer von insgesamt 45.000 schwangeren Frauen auf.
Zweieiige Zwillinge entstehen hingegen aus zwei separaten Eizellen, die etwa zur gleichen Zeit heranreifen und befruchtet werden. Die Kinder können sich in gleichem Maße voneinander unterscheiden, wie jedes andere Geschwisterpaar. Sie haben somit auch nicht immer das gleiche Geschlecht. Da bei einer In-vitro-Fertilisation (künstliche Befruchtung) in die Gebärmutter einer Frau jeweils mehrere befruchtete Eizellen eingesetzt werden, ist die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Mehrlingen größer, als bei einer natürlichen Befruchtung. Die Kinder sind dabei stets zweieiig.
Mehrlingsschwangerschaften mit Drillingen, Vierlingen oder mehr Babys können aus verschiedenen Kombinationen eineiiger und zweieiiger Kinder bestehen. Die Häufigkeit von Mehrlingsschwangerschaften variiert zudem in Abhängigkeit von geographischen sowie genetischen Faktoren. Gerade in der heutigen Zeit nimmt die künstliche Befruchtung einen sehr hohen Stellenwert in der Entstehung von Mehrlingsschwangerschaften ein. Das deutsche IVF-Register gibt an, das das Auftreten von Mehrlingsschwangerschaften nach einer In-vitro-Fertilisation 300 Mal häufiger Auftritt als bei unbehandelten Schwangerschaften. Nach einem so genannten ICSI-Verfahren ist die Rate von Mehrlingsschwangerschaften sogar bis auf das 500fache erhöht.
Mehrlingsschwangerschaften beanspruchen in der Regel ein wesentlich höheres Maß an geburtshilflicher Aufmerksamkeit als Schwangerschaften mit nur einem Kind. Dies liegt unter anderem daran, dass Mehrlinge eine sehr hohe Tendenz dazu haben, zu früh zur Welt zu kommen. Während Zwillinge im Durchschnitt in der 31. Schwangerschaftswoche geboren werden, also etwa sechs Wochen zu früh, werden Drillinge bereits in der 30., Vier- und Fünflinge durchschnittlich sogar schon in der 28. Schwangerschaftswoche entbunden. Zudem besteht bei Schwangerschaften mit mehreren Kindern auch die Gefahr von:
Generell ist es für eine gesunde Entwicklung der Mehrlinge von großer Bedeutung, wie sie in der Gebärmutter versorgt werden. Beispielsweise ist es bei zwei Kindern am günstigsten, wenn jedes in einer eigenen Fruchthöhle heranwächst und jedes eine eigene Plazenta hat. Die ungünstigsten Voraussetzungen bestehen für die Ungeborenen dann, wenn die Kinder in einer gemeinsamen Fruchthöhle heranwachsen und sich zusätzlich eine Plazenta teilen müssen.
Je früher die Geburt stattfindet, desto geringer ist zudem auch das Geburtsgewicht der Kinder, was einen weiteren Risikofaktor für das Auftreten von Komplikationen darstellt. Während Drillinge bei der Geburt durchschnittlich etwa 1419 Gramm wiegen, beträgt das Geburtsgewicht von Vier- oder Fünflingen im Durchschnitt nur 1100 beziehungsweise 1080 Gramm. Diese Faktoren erhöhen das Risiko für schwerwiegende Erkrankungen des Neugeborenen. Dazu zählen vor allem:
Die Prognose bezüglich schwerwiegender Erkrankungen des Säuglings verschlechtert sich, wenn Geschwister des Kindes zuvor bereits postnatal erkrankt oder verstorben sind.
Frauen die mit zwei oder mehr Kindern schwanger sind, erhalten eine besonders intensive medizinische Betreuung. So werden beispielsweise die Vorsorgeuntersuchungen in einem kürzeren Abstand durchgeführt, damit die Ärzte schneller eingreifen können, wenn es bei der Mutter oder den Ungeborenen zu Komplikationen kommen sollte.
Zeigt sich bei Kindern, die sich eine Plazenta teilen, dass sich eines erheblich schneller als seine Geschwister entwickelt, kann dieses Ungleichgewicht durch eine spezielle Behandlung ausgeglichen werden. Hierzu wird einem der Kinder im Mutterleib Blut entnommen während den anderen Kindern Blut zugeführt wird. Damit soll verhindert werden, dass die schwächeren Kinder zu stark in der Entwicklung zurück bleiben und Schaden nehmen. Zudem muss jedoch auch berücksichtigt werden, ob sich die Kinder im Mutterleib mit zunehmendem Schwangerschaftsalter eventuell aufgrund ihrer Größe gegenseitig einengen und somit gefährden.
Generell versuchen Ärzte, eine Mehrlingsschwangerschaft so lange wie möglich zu erhalten, damit die Kinder so weit wie möglich entwickelt sind, wenn sie geboren werden. Oft lässt sich eine Geburt zu einem früheren Zeitpunkt allerdings nicht vermeiden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn frühzeitig Wehen eintreten oder eines der Kinder nicht ausreichend versorgt wird. Die Gabe von verschiedenen Medikamenten kann in solchen Fällen dabei helfen, die Lungen der Kinder schneller reifen zu lassen. So haben sie nach der Geburt weniger Probleme mit der Atmung und einer ausreichenden Sauerstoffversorgung.
Häufig werden die betroffenen Mütter deshalb schon wesentlich früher Stationär in einer Klinik aufgenommen, als bei einer unkomplizierten Schwangerschaft mit einem Kind. Zudem sollten Frauen, die mehr als nur ein Kind erwarten, schon zu Beginn der Schwangerschaft besonders auf sich achten. Durch das erhöhte Gewicht von Mehrlingen besteht sowohl für die Beine als auch für die Wirbelsäule, die Muskulatur und das Bindegewebe der Mutter eine erhöhte Belastung. Es treten vermehrt Schwangerschaftsbeschwerden auf wie:
Einer starken besonderen körperlichen Belastung und den Schwangerschaftsbeschwerden kann oft erfolgreich mit Entspannungsübungen wie Yoga, Atemarbeit, Autogenem Training oder auch mit einer Akupunkturbehandlung entgegengewirkt werden. Besonders im letzten Schwangerschaftsdrittel ist es wichtig, sich körperlich zu schonen, um keine vorzeitigen Wehen auszulösen.
Auch möglichen Hautproblemen, vor allem Schwangerschaftsstreifen, sollte vorgebeugt werden, da sich die Haut besonders bei Mehrlingsschwangerschaften stark dehnen und somit Risse bilden kann. Daher empfiehlt es sich, rechtzeitig besonders beanspruchte Körperstellen wie Hüfte, Brüste und Bauch mit Ölen zu massieren, die das Bindegewebe elastischer machen. Mehr noch als bei einfachen Geburten sollten Schwangere mit Mehrlingen auf eine ausgewogene Ernährung achten und zusätzlich Eisen, Jod und Kalziumpräparate einnehmen. Es ist ebenfalls wichtig, ausreichende Mengen an Flüssigkeit zu trinken.
Falls es im Verlauf der Schwangerschaft zu Komplikationen oder Risiken für die Ungeborenen kommen sollte, raten Ärzte etwa ab der 32. Schwangerschaftswoche zu einer Einleitung der Geburt oder zu einem Kaiserschnitt. Generell werden Drillinge, Vierlinge und weitere Mehrlinge in Deutschland immer per Kaiserschnitt geboren. Zwillinge können hingegen bei guter Entwicklung ab der 33. Schwangerschaftswoche oft auch problemlos vaginal entbunden werden. Da es jedoch sein kann, dass sich lediglich der erste Zwilling in einer günstigen Kopflage und sich der zweite in einer Beckenendlage befindet, raten Ärzte zu einer ausreichenden Schmerzbehandlung während der Geburt. So kann auch das zweite Kind ohne Schmerzen für die Mutter in eine günstige Geburtsposition gebracht werden. Falls dies nicht möglich ist, kann nach der vaginalen Geburt des ersten Zwillings für das zweite Kind ein Kaiserschnitt erforderlich werden.
Zwischen den Geburten der Geschwister können jeweils 20 bis 30 Minuten vergehen. Eine Geburt von Mehrlingen wird in den meisten Fällen mittels Kardiotokographie (CTG) überwacht. So können sowohl die Herztöne der ungeborenen Kinder sowie die Wehen der Mutter gemessen werden. Nach einer Mehrlingsgeburt kann es durch die besondere Beanspruchung der Gebärmutter länger als bei einer einfachen Geburt dauern, bis sie sich wieder zurückbildet. Daher werden Mütter nach Mehrlingsgeburten medikamentös gegen einen zu hohen Blutverlust behandelt.
Letzte Aktualisierung am 30.03.2021.