Zunächst einmal die Ernüchterung: Biowein gibt es nicht, denn die Definitionen und Gesetze erstrecken sich lediglich auf die Arbeit im Weinberg. Auch wenn hier der Einsatzschwerpunkt toxischer Stoffe liegt, gibt es bis zum Konsumenten noch viele Gelegenheiten, den Wein mit Unappetitlichem zu versehen und alles andere als bio auf den Markt zu bringen. Das war die Situation bis 2011. Am 08.02.2012 erging die EU-Vorschrift, die die Begriffe Bio-Wein/Öko-Wein zulässt, weil sie sich auch auf den Keller bezieht - gewisse Stoffe für Biowein streicht oder einschränkt. Bislang handelte es sich bei Biowein um Wein aus Trauben aus biologischem bzw. ökologischem Anbau - wie es der Gesetzgeber so gar nicht prickelnd formuliert. So gibt es seit 1985 deutsche Richtlinien für das Ökosystem Weinberg, und 1991 erließ Brüssel seine EG-Öko-Verordnung 2092/91. Beide beschränken lediglich den Einsatz toxischer Stoffe wie Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Wer einmal gesehen hat, wie vom Hubschrauber aus Rebfläche mit irgendetwas Flüssigem behandelt wird, der hat zumindest für einige Zeit keinen Appetit auf Wein.
Zugegeben: Brüssel musste die Belange aller Mitgliedsstaaten berücksichtigen, was auf einen mehr oder weniger faulen Kompromiss hinauslief, aber zumindest wird die Einhaltung der Vorschriften überprüft. Auch die 2012er Weinverordnung ist ein Kompromiss, aber ein bedeutender Schritt für Biowein. Es waren die Anbauverbände wie beispielsweise Ecovin, Demeter und Bioland, die seinerzeit den Konsumenten retteten: Sie erstellten wesentlich strengere Regeln für das Spiel um den Wein. Biowinzer fördern die Artenvielfalt im Ökosystem Weinberg, um mit vielen klitzekleinen Mitstreitern den Problemen natürlich zu begegnen. Zur Anreicherung des Bodens mit Nährstoffen für die Reben und zur Abwehr von Bedrohungen werden bestimmte Pflanzen unter den Reben und in den Gängen gepflanzt. Die Rebstöcke stehen in weiterem Abstand zu einander, was Ertragsminderung bedeutet. Auch wenn man auf Stickstoffdünger verzichtet, Kalium- und Phosphordünger werden aufgebracht. Dort wo man auf anorganische Fungizide und Insektizide verzichtet, werden Schwefel und Kupferpräparate in eingeschränkter Menge eingesetzt, die ebenfalls ökotoxisch sind - geht eben doch nicht ganz ohne. Pilzkrankheiten sind eine sehr ernste Bedrohung für den Winzer, und ein gänzlicher Verzicht auf Fungizide wird als „wirtschaftlich untragbares Risiko" angesehen.
Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise bedient sich zusätzlich der kosmischen Kräfte von Mond und Planeten. Sie beruht auf anthroposophischen Leitgedanken, die Rudolf Steiner in seinem Landwirtschaftlichen Kurs publizierte. Einem Außenstehenden mag die Wirtschaftsweise biologisch-dynamischer Winzer völlig spinnert vorkommen, doch haben Untersuchungen ergeben, dass ein so bewirtschaftetes Gut eine höhere Artenvielfalt aufweist als ein ökologisch bewirtschaftetes. Wer Anthroposophen und ihre starre Haltung kennt, dem ist völlig klar, dass sie nicht die winzigste Einheit von ihren Überzeugungen abweichen - beste Garantie für Biowein. Der Anbauverband Demeter schreibt seinen Mitgliedern die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise vor. Alles in allem jedoch steckt in der Bioweinflasche ein auf ganzer Linie möglichst schonend erzeugter Wein. Dass diese Wirtschaftsweise auch ökonomisch erfolgreich sein kann, beweisen die Mitglieder des Verbands Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter, die bis 2015 alle auf Biobetrieb umgestellt haben müssen und es mehrheitlich bereits sind: Aus VDP-Flaschen kommt Deutschlands bester Wein.
Ein bisschen schwanger -bei Biowein ist es möglich.