Das ist schon schwierig genug, denn das Sortiment ist häufig unbekannt. Wenn dann endlich die Entscheidung gefallen ist, bringt der Kellner die Flasche und hält sie dem Herrn hin, damit er überprüfen möge, ob das Etikett mit den Angaben in der Weinkarte identisch ist. Danach wird die Flasche geöffnet und dem Herrn ein kleiner Schluck eingeschenkt, damit er prüfe, ob der Wein gesund ist. Das Gaststättengewerbe ist ein über alle Maßen konservatives, das Frauen weder des Lesens, noch eines Prüfvorgangs, geschweige denn einer Beurteilung für fähig hält. Und mal ehrlich: er als Biertrinker hat meist noch weniger Ahnung von Wein. Höchste Zeit, dass sich da etwas ändert.
Zunächst könnte die Qual der Wahl mit der Frage nach einer Weinempfehlung abgekürzt werden, denn der Kellner kennt das Sortiment von allen Beteiligten am besten. Damit ist auch die fachliche Kompetenz des Kellners gleich auf dem Prüfstand, und es wird offensichtlich, ob es sich um eine Fachkraft, einen Azubi oder eine angelernte Kraft handelt. Kellner lieben den fachlichen Dialog mit ihren Gästen, dürfen ihn aber nie beginnen - aus konservativen Gründen. Äußerungen hinsichtlich Geschmacksvorlieben helfen bei der Wahl der Empfehlungen, können aber andererseits hindernd wirken. Natürlich wirft frau trotzdem einen Blick in die Weinkarte, schließlich will sie wissen, was so geführt wird. Die Flasche sollte am Tisch geöffnet werden, denn Wirte sind Schlitzohren, die auch mal einen minderwertigen Wein in eine fremde Flasche füllen. Der Korken wird behutsam herausgezogen, damit sich der Wein nicht erschrickt angesichts der plötzlichen Sauerstoffkonfrontation. Ein guter Kellner wird zunächst am Korken riechen und ihn dann auf einem Schälchen beim Tisch belassen. Den Gesundheitscheck des Weins kann die Nase allein bewältigen: fehlerhafte Weine riechen unangenehm; zur Sicherheit kann man einen Schluck nehmen.
Wenn der Kellner sich dann entfernt hat, möge frau unbedingt am Korken riechen. Das ist nicht gerade ein Dufterlebnis, denn der benutzte Weinkorken riecht eher in Richtung muffig, aber es vermittelt ein Bild, und nach fünfzig beschnüffelten Korken geben all die kleinen Puzzleteile ein sicheres Feeling für Wein. Insbesondere sollte auch der Korken berochen werden, der zum Weinfehler führte, um den Unterschied zu kennen. Das gilt selbstverständlich nur für Naturkorken. Wenn sich in der Weinflasche Partikel befinden, ist das kein Qualitätsverlust, sondern es handelt sich um den sogenannten Weinstein, schwer lösliche Salze der Weinsäure, die sich an Kork oder auf dem Boden absetzen. Weinstein kann beim Weinausbau chemisch oder durch Kälte vermieden werden. Er ist zwar unangenehm im Mund, ansonsten aber völlig harmlos.