Seit Jahrzehnten versuchen sogenannte Experten der Welt klarzumachen, dass der Konsum von Alkohol überaus schädlich ist, und implizieren dem Weinfreund damit ein schlechtes Gewissen. Doch immer mehr Studien werden veröffentlicht, die genau das Gegenteil aussagen. Seit jeher wurde Wein eingesetzt, um gesundheitliche und psychische Aspekte günstig zu beeinflussen. Ob zum Waschen von Verletzungen, für Auszüge aus Heilkräutern, gegen psychische Verstimmungen, in der Rekonvaleszenz: für Wein gibt es ungezählte Einsatzmöglichkeiten, die den Menschen früher lieb und teuer waren. Noch Ende des 19. Jahrhunderts gab es bei einer deutschen Krankenkasse Rotwein als Therapeutikum. Doch dann übernahm die Pharmaindustrie das Thema Gesundheit, und die Menschen vergaßen all die vielen wirkungsvollen, einfachen und günstigen Mittel. Erst Ende des letzten Jahrtausends begannen Forschungen, die alte Aussagen wissenschaftlich fundierten.
Demnach sind ein bis zwei Glas Wein pro Tag unbedingt angeraten. Neben Vitamin C und Vertretern der B-Vitamine sind im Wein Kalium, Magnesium, Mangan, Eisen und Kupfer enthalten, aber natürlich auch Alkohol und eine riesige Anzahl Polyphenole, von denen Rotwein naturgemäß mehr besitzt als weißer. Die Polyphenole sitzen in Traube sowie Stengeln und sind als Radikalenfänger hoch geschätzt. Wein also auch gegen Krebs? Die Beweise werden härter - solange die Wissenschaftler dafür aufgeschlossen sind. Absolut erwiesen ist, dass Wein die beste Prophylaxe für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist, der häufigsten Todesursache in den Industriestaaten. In einer diesbezüglichen Studie schnitten selbst Personen, die mit dem Weinkonsum deutlich über die Stränge schlugen, immer noch besser ab als völlige Abstinenzler, die ganz schlecht dastehen.
Wein unterstützt aber auch den Fettstoffwechsel, weshalb er auf einer üppigen Tafel nicht fehlen sollte. Kein Wunder, dass sich in den klassischen Weinländern Italien und Frankreich der Konsum von Wein auf die Mahlzeiten beschränkt - anders als in Deutschland, wo man es schätzt, mit einem Glas Wein zu relaxen, den Tag ausklingen zu lassen. Wein inspiriert: ungezählt die großen Dichter, Denker, Lenker, deren Musenspeise er war. Herr von Goethe gab ein zwanzigstel seines Einkommens für Wein aus - ein Traum für deutsche Winzer - und trank täglich drei Flaschen davon.
Wein bescherten uns die Römer. Die waren einerseits Freunde einer bequemen und angenehmen Lebensweise, aus militärischer Sicht andererseits half Wein gegen die Angst des Soldaten, ließ die Hemmschwelle sinken und bewirkte, dass die Truppe selbst den idiotischsten Anweisungen eines selbstgefälligen Führers folgte. Klar, dass die Römer großen Bedarf an Wein hatten und unterwegs immer für Nachschub sorgten. Es bleibt spannend, die neusten Erkenntnisse über Wein zu verfolgen, aufgestellte Thesen, die verworfen und wieder neu bestätigt werden. Das mag verwirrend, aber vor allem unzulänglich sein. In der Zwischenzeit möge das tägliche Glas Wein zur Institution werden, die vor vielen Erkrankungen schützt - aber die Dosis macht es.