Ein Trennungsgrund, der vom sozialen Umfeld eines Paares immer anerkannt wird, ist Untreue. Manche Verlobung platzte schon deswegen, und manche Scheidung wurde eingereicht. Mancher Mann behauptet, seine Frau, Freundin oder Verlobte zu lieben, aber gelegentliche Ausrutscher oder Affären ließen sich nun einmal nicht vermeiden. Ähnliche Verhaltensmuster gibt es natürlich auch bei Frauen. Ein Eheversprechen kann bei einigen Menschen sogar geradezu Torschluss-Panik auslösen und sie dazu bringen, vor der Hochzeit noch das eine oder andere „Abenteuer" zu suchen, was dann wiederum zu Heimlichkeiten, schlechtem Gewissen, Misstrauen, Eifersucht und Spannungen in der festen Beziehung führt. Es sei völlig antiquiert, einer einzigen Person langfristig Treue zu schwören, behaupten einige Zeitgenossen, und geradezu unnatürlich obendrein. Der Anspruch auf absolute Treue in einer langen Ehe oder Partnerschaft sei heutzutage lächerlich, und ein Seitensprung doch im Grunde nicht so schlimm. Doch ganz so einfach ist es nicht.
Das mag ja zutreffen, aber nicht nur in Mitteleuropa herrscht nun einmal schon sehr lange das Konzept oder besser, die Idealvorstellung vor, nur einen Liebespartner zur gleichen Zeit zu haben. Dieses Ideal sitzt fest und tief in den Köpfen und sorgt dafür, dass ein betrogener Partner sich ganz zwangsläufig ausgeschlossen, hintergangen und zurückgesetzt fühlt. Denn es gehören nach allgemeiner Vorstellung nun mal nur zwei und nicht drei oder mehr zusammen. Eine „offene Beziehung" kann durchaus funktionieren, und so lange kein Beteiligter dabei verletzt wird, ist eine entsprechende Übereinkunft wirklich Privatsache. In der Regel wird ein Fremdgehen des einen beim jeweils anderen Partner aber zu einem Vertrauensbruch führen und großen Schmerz hervorrufen.
Vor allem Frauen fühlen sich abgewertet: Die Andere ist in ihrer Vorstellung schöner, tüchtiger, amüsanter, erfolgreicher, intelligenter, hat die bessere Figur, ist jünger - die deprimierende Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen. Während ein betrogener Mann sich eher mit der Vertrauensfrage quält: Wie lange geht das schon so? Ob die beiden wohl heimlich über ihn lachen? Welche Rolle spielt er denn nun noch für seine Partnerin? Wenn der Entschluss ansteht, sich ein Eheversprechen zu geben oder eine feste Bindung einzugehen, sollte die Treue-Frage nicht unbeantwortet im Raum schweben: Wer partout glaubt, nicht treu sein zu können, oder zu wollen, muss sich konsequenterweise jemanden suchen, der mit diesem Umstand un-gekränkt umgehen kann, oder selbst wenig Wert auf Ausschließlichkeit in der Partnerschaft legt. Denn ansonsten sitzt ein Beteiligter erbittert zu Hause und fühlt sich verletzt und betrogen. Keine gute Basis.
Für einen Menschen, den man wirklich liebt, geht man jedoch auch Kompromisse ein und versucht, herauszufinden, warum einem die Kirschen in Nachbars Garten immer wieder so viel verlockender erscheinen. Und was ist einem auf die Dauer wichtiger - die tiefe Beziehung mit dem einen, ganz besonderen geliebten Menschen, oder die vollkommene Freiheit für immer wieder neue erotische Abenteuer? Das ist eine Frage der persönlichen Prioritäten.